Vom Wegschauen und der Moral

Es ist schon komisch, wenn man als derjenige, der in Frieden erzogen wurde, plötzlich an den Krieg denkt. Nicht an den Krieg, der schon längst vergangen ist, sondern an den, der jeden Tag vor einem liegt. Wenn man Syrien, an die Türkei und an die Verantwortung für die Welt denkt.

Alle Generationen heute in Europa, sind mit dem Gedanken erzogen worden, dass „nie wieder Krieg“ das oberste Ziel aller Politik sein sollte. Wir sind in diesem Geist erzogen worden und haben auch angefangen, an diesen zu glauben. Wir haben die Schlachtfelder der beiden Weltkriege gesehen. Die Massenmorde an den Juden. Die Unterdrückung Europas durch unser eigenes deutsches Volk. Ja, wir haben das gesehen, was niemals jemand gedacht hätte, ein Volk könnte anrichten. Wir haben gelernt, dass wir schuldig sind und wir haben es aufgesagt.

Schon im Krieg haben die kommenden Siegermächte beschlossen, den „preußischen Militarismus“ endlich zu besiegen. Sie wollten den Geist austreiben, der dieses deutsche Volk immer wieder zur Waffe hat greifen lassen und so viel Unheil über die Welt bringen lassen. Sie hatten vollen Erfolg damit. Und Gott sei Dank: Sie haben uns den Waffenglauben ausgetrieben. Doch haben sie eins dabei nicht bedacht: Dass wir verlernt haben, auch für unsere Freiheit einzustehen und die Verantwortung zu sehen, die dieses neue Deutschland für die Welt hat. Aber auch die Welt für sich selbst.

Auf der Welt grassierten und grassieren Völkermorde. Ruanda, Kongo, Libyen, Somalia, Sierra Leone, Syrien: Die Liste könnte endlos sein. Überall auf der Welt schauen die Völker dieser Welt weg. Überall auf der Welt, wird nach friedlichen Lösungen gesucht, die schon längst nur noch Makulatur sind und mehr der inneren Beruhigung, als der tatsächlichen Lösung dienen. Es dient dem eigenen Volk, und nicht der Menschheit. Auch jetzt. Wieder einmal.

Seit über einem Jahr protestieren Menschen in Syrien, so wie zuvor in Libyen und Ägypten, für ihre persönlichen Freiheiten. Gegen ein Regime, welches sich mit nichts weiter zu helfen weiß, als mit altbewährten Mitteln von Folter und Unterdrückung, auf die Freiheitsbestrebungen zu reagieren. Noch immer wird gefoltert, gemordet, erpresst, geraubt, vergewaltigt, sich anderen bemächtigt. All das, was wir hier in unserem Land längst scheinen überwunden zu haben. Wir schauen weg, weil wir meinen, dass es so etwas doch nicht geben kann. Doch es gibt es. Es gibt den Tod, die Gewalt, die Vergewaltigung, den Missbrauch, die Bemächtigung. Es gibt all das in dieser Welt, was wir längst ausrotten wollten. Doch wir wollen keine Verantwortung übernehmen. Die ganze Welt möchte keine Verantwortung übernehmen. Wie schon in Ruanda, als die Weltgemeinschaft zuschaute, als Millionen ermordet wurden. Oder auf Balkan, als wir einen Krieg hätten beenden können, der nur Unschuldige das Leben hat gekostet. Nein, wir haben uns nicht geändert. Wir sind immer noch zu feige zu uns selbst zu stehen. Niemand hat sich geändert.

Als Deutschland den USA den Krieg erklärte und damit die Befreiung von Hitler soviel näher rückte, waren die USA nicht angetan von den Aussichten, Millionen opfern zu müssen, um den Sieg zu tragen. Doch sie taten viel mehr. Sie befreiten einen ganzen Kontinent und brachten die Freiheit zurück. Sie opferten ihre Söhne für die Freiheit, in der sie erzogen wurden. Ohne sie, wären wir heute nicht wir. Ohne sie, wäre Deutschland heute nicht dieses demokratische Deutschland.

Wir müssen uns bewusst sein, dass Geschichte sich nicht zwingend wiederholt. Dass Geschichte auch anders verlaufen kann, wenn man sich nur mit Mut ihr entgegenstellt. Wir haben die Chance die Welt zu verändern und für die Werte einzustehen, die uns ausmachen: Menschenrechte, Demokratie, Freiheit, Rechtsstaat, die Gleichheit der Frau und das Streben nach Glück. Für all das, auf das wir so stolz sind und für das Millionen ihr Leben ließen. Sie sind umsonst gestorben, wenn wir nicht ihr Erbe antreten und endlich die Fahne wieder erheben: für die Freiheit, für die Demokratie, für die ganze Menschheit. Die Geschichte wird über uns richten. Egal, wie wir uns entscheiden.

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